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Volto Santo Installation

Die Intelligenz des Bösen schreibt Jean Baudrillard: “Vorbei das Abenteuer der modernen Kunst… Die zeitgenössische Kunst kennt keine Transzendenz mehr in Richtung auf die Vergangenheit oder Zukunft; die einzige Realität ist die Realität ihres Operierens in Echtzeit, ihrer Vermischung mit der Realität.”2 Das Problem einer sakralen Kunst der Gegenwart hingegen, die sich dieses Befundes zu erwehren wähnt, ist ihr starrer Blick auf das Jenseits unter Ausgrenzung der Profanierungen der Ersatzreligion Kunst. An diesem Punkt angelangt ist die Begegnung mit dem Volto Santo etwas grundlegend Neues. Das Volto Santo (Heiliges Antlitz) erscheint in einem dünnen Schleier (24 x 17 cm) aus Byssusgewebe, so genannter Muschelseide, die aus Perlmuttfäden besteht. Auf dem im Gegenlicht vollkommen durchsichtigen Stoff ist bei wechselndem Beleuchtungswinkel, unterschiedlich farbig, klar, deutlich und kontrastreich ein männliches Gesicht zu erkennen, das nach der Überlieferung die wahren Züge Christi zeigt. Nach heutigem Kenntnisstand ist die Herstellungstechnik des Volto Santo unbekannt. Es befinden sich keine Farbpigmente auf, zwischen oder in den Gewebefäden. Dennoch „befindet“ sich ein Gesicht nur auf den Schussfäden. Ein Einsaugen der Farbe, durch Kapillarfluss, hätte die glasklare Durchsichtigkeit unmöglich gemacht. Das Gewebe reagiert auf ultraviolette Bestrahlung neutral und bleibt transparent. Das Gesicht weist von der Vorder – und Rückseite, auch unter extremer Vergrößerung, keine Differenz auf. Das Antlitz entsteht offensichtlich durch prismatische Lichtbrechungen im Perlmutt des Gewebes. Anders gesagt: der Stoff reflektiert Licht farbig – irisierend, wie es bei Insekten, Vögeln, oder eben Muscheln zu beobachten ist.

Übereinanderlagerungen von Folien des Volto Santo und des Turiner Grabtuches haben gezeigt, dass es sich bei beiden Tüchern um ein und dasselbe Gesicht handeln muss. Der Schleier scheint mit dem vera ikon , dem wahren Bild (Veronika) übereinzustimmen: der zentralen Reliquie, dem Vor – und Urbild ungezählter Ikonen und Christusdarstellungen. Er wird in Italien, in der kleinen abruzzesischen Stadt Manoppello seit Jahrhunderten von Kapuzinern aufbewahrt. 2006, kurz vor dem Besuch von Benedikt XVI. in Manoppello entstanden drei Videoarbeiten über das Volto Santo. Mit dem Material war von Anfang an auch eine Installation geplant. In einem völlig verdunkelten Raum variabler Größe und Gestalt hängt eine Scheibe, auf die einer der drei Filme als 12 Minuten – Loop projiziert wird. Die Scheibe ist von beiden Seiten zu betrachten, was den Gegebenheiten des Objektes entspricht. Das Gesicht löst sich in gleitenden Übergängen immer wieder auf, um in veränderter Weise neu zu erscheinen, was ebenfalls die Bildwirklichkeit des Volto Santo aufgreift. Im Raum hört man Klänge, die durch Verlangsamung der Töne aus der Kirche in Manoppello entstanden. Der Klang schwebt wie das Bild im Raum. In einem weiteren Bereich der Installation sind auf einem Monitorpaar der zweite und der dritte Film als Loop zu sehen. Dadurch, dass die Bildschirme nahe beieinander stehen, kann man die parallel laufenden Filme als einen betrachten, in dem zum Beispiel das Volto Santo als durchsichtiger Schleier und gleichzeitig als kontrast – und farbenreiches Gesicht erscheint. Aufgrund der unterschiedlichen Längen der beiden Monitorfilme ergeben sich immer neue Konstellationen. Über Kopfhörer sind weitere Originalklänge aus der Kirche in den Abruzzen sowie Geräusche der Umgebung zu hören.